Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.

Predigt am Sonntag, 04. September 2016

Pfarrer i.R. Reiner Lichdi

Unter Gottes Hand leben

Predigttext: 1.Petrus 5,5c-11:

„Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.
Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. „

 

Was wir eben gehört haben, ist ein Abschnitt aus einem Rundschreiben an die frühen christlichen Gemeinden. Verfasst in der Autorität des Apostels Petrus. Als dieser Brief geschrieben wurde, waren die Christen im Römischen Reich eine Minderheit. Sie wurden verspottet, angefeindet, verfolgt, getötet. Der Druck von außen, von der heidnischen Bevölkerung wurde immer stärker. … Werden die Christen dabeibleiben, die Gemeinden durchhalten, überleben? Das ist die entscheidende Frage! Darum muss der Glaube gefestigt, müssen die Christen auf dem neuen Weg gestärkt werden.

Glaubensstärkung haben auch wir nötig, liebe Gemeinde. Gewiss, wir leben in einer anderen Zeit und unter anderen Verhältnissen. Aber wir leben in einer Zeit starker gesellschaftlicher und politischer Veränderungen. Verändert hat sich die Bevölkerung, die Kommunikation, die Parteienlandschaft. Verändert hat sich auch der Einfluss der Kirchen.  Christsein ist heute auch nicht mehr selbstverständlich. Wir Christen sind in der Minderheit. Gottvergessenheit, Gleichgültigkeit und Anfeindungen nehmen zu.  Verunsicherung macht sich breit. So stellt sich die Frage: Wie können wir, die jüngeren und auch die älteren Christen in einer sich veränderten Welt unseren Weg gehen? Wie in den Gefahren bestehen?

>  Drei wichtige Orientierungshilfen  werden uns mit auf den Weg gegeben:

  1. Demütigt euch unter Gottes Hand! / Habt Mut zur Demut

Das klingt nicht gut in unseren Ohren. Wir denken dabei an unliebsame Herrschaftsstrukturen: einer sitzt oben, und ich bin unten. Einer gibt den Ton an, und ich muss folgen. Nein! Mit Demut kann man heute niemanden mehr begeistern. Was die Menschen brauchen, sind starke Ellenbogen, um sich durchzusetzen. Mit Demut kommt man nicht weiter! So etwa könnte ich mir eine erste Reaktion vorstellen!

Damit hätten wir das Anliegen unseres Predigtwortes missverstanden. Bei Demut geht es weder um falsche Bescheidenheit noch um fatalistische Resignation. Nicht um eine unterwürfige oder duckmäuserische Haltung gegenüber den Menschen. Sondern um die Beziehung zu Gott.

„Demütigt euch!“, „habt Mut zur Demut“, das heißt: Rechne in deinem Leben mit Gott. Verstehe, dass er dir in dem, was du heute erlebst, in dem, was dich glücklich macht, oder was dich verunsichert, etwas Wichtiges sagen will. Wenn du unter Schwierigkeiten, unter Leiden und Versagen, unter Stress stöhnst, so sieh darin nicht nur etwas, was dich im Leben stört. Sondern erkenne auch in den schweren Tagen die starke Hand Gottes, die dich führt, die dich prägen und stärken will. Der Pfarrer und Theologe Dietrich Bonhoeffer, schreibt aus seiner Zeit der Haft:

„Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, die wir brauchen. Aber er gibt sie uns nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“ > Das ist nicht Schwäche, sondern Stärke!

„Allein auf Gott sich verlassen?“ – ja! Gibt es doch auch andere Verhaltensweisen. Da ist das Gegenstück von Demut: der Stolz, die Arroganz, der Hochmut, ein überzogenes Selbstbewusstsein. Oder es ist die andere Spielart, mit dem man Gott aus vielen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft verdrängt. Selbst den Schöpfer spielen will.

Vor einer solchen Anmaßung warnt der Apostel sehr deutlich. Er sagt: „Täuscht euch nicht! Gottes Hand ist gewaltig! Sie stößt „den Hochmütigen vom Thron“.  Ein Blick in die Geschichte der letzten 70 Jahre zeigt dies: 1945: Zusammenbruch des 1000-jährigen Reiches. 1989/1990: fallen kommunistische Regierungen in sich zusammen.

Wie viel Hochmut von einzelnen Menschen, von Völkern und Gruppen ist während dieser Zeit zerbrochen! Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge! Forscher, Wissenschaftler und Politiker haben eine besondere Verantwortung vor der letzten Instanz! „Gott widersteht dem Stolzen, aber denen, die sich bewusst unter seine Hand stellen, gibt er Gnade.“

Gottes starke Hand, liebe Gemeinde, ist die Hand, die uns leitet, die trägt und segnet. Es ist eben nicht die Kralle, die uns anpackt oder vernichten will. Darum kann ich darauf vertrauen, dass Gott uns erhöht zu seiner Zeit.“ „Zu seiner Zeit“, das heißt: Wann und wie Gott aus der Not, aus dem Leiden mich herausholt, das bleibt seine Sache. Aber wir haben seine Zusage, dass er es tun wird. Dass er uns trägt, hindurchträgt. Darin bewährt sich mein Glaube, dass ich mein Geschick, meinen Lebenslauf annehme. Dass ich mich versöhne mit dem, was Gott in meinem Leben geschehen lässt an Schwerem, an Verwundungen, an Verletzungen. Damit beginnt auch Heilung .

Demut meint aber auch etwas ganz Praktisches. Demut meint Diene-Mut. Das schlichte Da-Sein für andere. So etwas wie eine diakonische Gesinnung ist damit gemeint. Nicht nur mit Worten, sondern auch mit kleinen Taten kann und wird sich das Christsein bewähren, wer-den wir andere Menschen überzeugen. Es gibt in jeder Familie, am Arbeitsplatz und auch in der Gemeinde Aufgaben und Tätigkeiten, die anderen helfen. – Unter Gottes helfender, heilender, gnädiger Hand leben, was das erste und als zweites wird uns gesagt:

  1. Überlasst eure Sorgen Gott!

Wir alle kennen die Redewendung: „Ich mache mir Sorgen.“ Viele unter uns, in unserer Gemeinde, machen sich Sorgen, haben Sorgen: Sorgen um die Gesundheit, Geldsorgen, Schulsorgen. Eltern machen sich Sorgen um ihre Kinder, Kinder um die altgewordenen Eltern. In der Kirche machen wir uns Sorgen um den rechten Kurs, um das richtige Bibelverständnis. – Sorgen sind da und drücken. Sorgen und Angst sind aktuell.  Probleme wie Terror, Krieg, Überbevölkerung und Hunger, Flüchtlinge, Christenverfolgungen, Umweltzerstörung und Klima-Katastrophe beschäftigten uns. Normale Sorge hilft uns aber vorzusorgen und recht zu leben. Zu starke Sorge lähmt und „frisst die Seele auf.“

Aber nun wird uns gesagt: Ihr braucht euch von den Sorgen des Tages nicht niederdrücken lassen. „Gott sorgt für euch.“ Er kümmert sich um euch. Wir liegen also Gott am Herzen. Er steht für uns ein. – Weil ich das gehört und verstanden habe, werde ich die Kunst, die Sportart des „Sorgen-Werfens“ üben. Werfen, das ist eine sportliche Bewegung, ein Kraftakt, ein Akt der Befreiung. Werfende müssen etwas loslassen, sonst wird aus dem ganzen Wurf nichts. Und wie der Kugelstoßer seinem Wurf nachsieht, so hoffentlich auch wir. Er hat sich von der Kugel getrennt, er atmet durch.

Ich werde, wenn mich morgens den Tag beginne nicht sagen: HERR, wie schwierig, wie problematisch wird dieser Tag wieder werden.“ Nein! Ich mache es umgekehrt und sage vielmehr: „Herr, dieser Tag, meine Arbeit, meine Familie, meine Gedanken, alles, was mich beschäftigt, gebe ich in Deine Hand. Du sorgst für mich. Du gibst mir die nötige Kraft und gute Nerven. Darauf kann ich  hoffen! Nicht, dass damit alle Probleme weggewischt wären! Doch es wächst Vertrauen. Das macht mich frei und froh für den nächsten Schritt, frei für den Tag. Sie beflügeln uns, stärken den Glauben.

Unter Gottes Regie leben, das war die erste Orientierungshilfe. Von Sorgen entlastet, unter Gottes Fürsorge leben, ist  die zweite. Und als dritte Orientierungshilfe wird uns gesagt:

 

III.  Bleibt besonnen und wachsam!

„Macht euch locker und bleibt dabei immer hellwach!“ (Volxbibel) Das bedeutet zunächst einmal: Schätzt eure Lage richtig ein! Hinter dem Leid und den Rätseln und der Not steht eben nicht nur die bewahrende Hand Gottes. Es droht die Kralle des Widersachers. Das NT nennt ihn „diabolos“. Es meint den, der die Schöpfung durcheinander wirft, der Menschen zum Abfall von ihrem Schöpfer verführen will. – Der Widersacher ist eine Realität! Auf Schritt und Tritt begegnen wir seinen Spuren. Wir brauchen nur in unser eigenes Herz sehen, wie einiges durcheinander läuft. In schwierigen Lebenssituationen, wartet der Gegenspieler darauf, dass Menschen im Leiden bitter werden, verzweifeln, von Gott abfallen. Gerade dann kann die letzte Bitte des Vaterunsers besonders wichtig sein: „Bewahre uns in der Versuchung und erlöse uns von dem Bösen.“

Der Teufel ist eine knallharte Wirklichkeit. Er ist nicht immer sofort erkennbar. Er kommt manchmal im Gewand des verständnisvollen Zeitgenossen oder des Verführers. Er tarnt sich auch heute zuweilen intelligent.  Deutlicher sind seine Spuren zu erkennen, wenn wir in die Tages-zeitungen hineinschauen, den Fernseher oder Smart-Phons anstellen. Tag für Tag flimmern Bilder von Gewalt, von Täuschung, von Gier und Lebenszerstörung auf.  Nisten sich in den Gehirnen unzähliger Menschen ein. So beschreibt und belegt der Psychologe und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer in seinem Buch „Cyberkrank“ wie das digitalisiere Leben die Gesundheit vieler Menschen ruiniert, wie soziale Bezüge und persönliche Zuwendungen reduziert werden. Vieles durcheinander gewirbelt wird. Dem widerstehet!

Ich frage: Müssten wir uns nicht der schleichenden Zersetzung menschlicher und christlicher Werte widersetzen? Das könnte bedeuten: Leser- und Zuschauerbriefe an die verantwortlichen Redaktionen schreiben; sich als Christen engagieren in Schulen, Vereinen und demokratischen Parteien. Für den Glauben eintreten. Und auch öfters von dem Guten reden, das tausendfach in unseren Gemeinden und in der Diakonie geschieht. – Standhaftigkeit im Glauben und im Gewissen ist heute gefragt, lebensnotwendig!

Eine solche Haltung kostet Kraft und Energie. Woher bekommen wir sie? „Von dem Gott aller Gnade, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus.“ Berufen durch die Taufe, im Glauben lebend, werden wir von der starken Hand Gottes gehalten. Und niemand und nichts kann uns aus seiner Hand reißen. Er wendet sich uns zu in Jesus Christus, dem guten Hirten. „Ihm liegt an dir und mir!“

Jesus wirkt an uns und in uns. „Er wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.“ Das gilt besonders den Brüdern und Schwestern, die in Nordkorea, in vielen afrikanischen und in islamisch dominierten Ländern um ihres Glaubens willen angefeindet, verfolgt werden.

Ihnen und auch uns gilt die große Zusage: Gott, von dem ihr so viel unverdiente Güte erfahrt, er wird euch aufbauen, wenn  Leid und Tränen euch niederdrücken. Er will uns stärken, wenn wir zweifeln, verunsichert sind. Er will uns kräftigen, wenn Hektik und Stress uns strapazieren. Er will  uns gründen auf dem Felsengrund seines Wortes. Und er will euch ans Ziel bringen. Euch in seine ewige Herrlichkeit aufnehmen. Unter diesem weiten Horizont können wir im Alltag von unserem Glauben reden und danach handeln. Froh und hoffnungsvoll auf unserm Lebensweg nach vorne schauen. Er wird  euch aufbauen, stärken, konfirmieren, auf festen Grund stellen. Gott wird es tun! Darauf können wir getrost und  zuversichtlich „Amen“ sagen!  „Und der Friede Gottes, des höher ist als alles, was wir   verstehen und begreifen, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ – Amen.